Gut oder Böse – wo führt das hin?

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Gut oder Böse - das ist hier die Frage.

Ist die Unterscheidung „Gut oder Böse“ gut? Oder ist sie böse?

Eine scharfe Unterscheidung in solch zwei entgegengesetzte Werte wie gut und böse es sind, lässt sich sowohl als Kultur förderlich als auch als Kultur zerstörend beschreiben.

Schauen wir uns, um Bilder zu bekommen, was das heißen könnte, in Mittelerde um.

Die Guten und die Bösen in Mittelerde

Mittelerde und darüber hinaus ganz Arda hat Tolkien recht deutlich nach dem Schema gut oder böse unterteilt.

Zur Zeit des Ringkrieges sind die Fronten zwischen den Guten und Bösen auf eine Entscheidung zugespitzt, an der offensichtlich wird, wer sich auf welche der beiden Seiten sortiert: Dem Ring der Macht widerstehen oder seiner Macht erliegen.

Sauron, der Herrschrer des Rings, wird mit Ring selbst identifiziert. Tom Bombadil ist von der Macht des Rings gänzlich unbeeindruckt. Alle anderen Haupthelden – im Buch wie auch im Film, müssen sich entscheiden.

  • Sie widerstehen der Macht des Rings – wie Gandalf, Aragorn, Galadriel, Elrond, Sam, Bilbo und Faramir.
  • Oder sie erliegen seiner Macht. Allen voran Saruman, gefolgt von Gollum. Aber auch Boromir und genau genommen auch Frodo.

Doch alle spüren sie, dass von diesem Ring etwas ausgeht, das sie fasziniert: Macht. Als magische, mehr oder weniger unbestimmter Herkunft, gedacht.

Die eine Beschreibung – so stark sie auch gemacht wird – lässt die andere nicht ungültig werden.

Folglich ist z.B. die Unterscheidung

  • gut oder  böse

selbst weder gut noch böse, weder wahr noch falsch …

Sie führt „nur“  in einen unauflösbaren logischen Selbstwiderspruch, wenn sie als allgemeingültiges Weltbild (Ideologie) verstanden und gelebt wird. Erkennbar daran, dass die Frage sich auf sich selbst nicht anwenden lässt.

Ähnliches trifft auch andere scharfe Unterscheidungen wie „nützlich oder schädlich“ etc.  führt in dasselbe Dilemma.

Nicht „gut oder böse“, sondern … ?

Gotthard Günther, ein Logiker und Philosoph des 20. Jahrhunderts, ist diesem logischen Selbstwiderspruch auf den Grund gegangen und entwickelte eine funktionierende mehrwertige Logik.

In Fachkreisen (Logikern, Systemtheoretikern, Soziologen) wird die mehrwertige Logik von Günther als Pionierleistung anerkannt und angewendet.  Vom Common sense wird sie bislang – soweit ich das blicke – noch ignoriert.

Auf die Herleitung (Kenogrammatik als Stichwort, wen´s interessiert) geh ich hier nicht ein, um sie nachzuvollziehen, muss man sich schon ein bissel reinknien. Die praktische Anwendung aber ist – möcht fast sagen – intuitiv einleuchtend:

Man nehme … *Kochrezept* in jeder fraglichen (kritischen, frag-würdigen) Situation drei Werte an.

Und – das ist der entscheidende Einschnitt – diese drei Werte werden nicht gleich inhaltlich festgelegt, sondern sich erstmal nur als drei gleichermaßen plausible Beobachtungsperspektiven vergegenwärtigt. So dass sie dann auch auffindbar sind und inhaltlich eingenommen werden können.

Die Grundstruktur:

  • 1. Perspektive: Die Position – Zustimmung (zu was auch immer)..
  • 2. Perspektive: Eine Negation – Ablehnung (nicht von was auch immer, sondern der Position)

Beide zusammen bilden ein Gegensatzpaar – genauer: das 1. Gegensatzpaar.

  • 3. Perspektive: Ein geeignetes 2. Gegensatzpaar

Ist diese Bewegung des Perspektive wechselns klar, lässt sie sich auf jede Situation anwenden.

Als Beispiel nehme ich die Ausgangsfrage:

„Gut oder Böse“ ->

1. Perspektive: Die Gut-Böse Unterscheidung ist gut, weil kulturschaffend.

2. Perspektive: Die Gut-Böse Unterscheidung ist böse, weil sie zur Ablehnung und Vernichtung von Leben führt.

3. Perspektive: Ein 2. Gegensatzpaar, z.B. handlungsfähig oder blockierend

  • Wenn ich handeln will, muss ich mich auf meine eigenen  klaren und schnellen Urteile verlassen können. Sie müssen mir auch in Stresssituationen funken, was  OK und gut und  auch langfristig sinnvoll ist und was nicht. Die können sich ändern und werden sich durch Erfahrung auch ändern, aber: Im entscheidenden Augenblick müssen die Maßstäbe klar und eindeutig sein, sodass ich sicher bin:   Ja oder Nein, Los geht´s oder Stop – und nichts dazwischen.
  • Wenn oder sobald ich versuche, die ganze Welt von meinen Maßstäben zu überzeugen oder sogar sie dazu zwingen würde wollen, wäre absehbar, dass ich mich selbst damit blockiere und folglich tot unglücklich mache.

Klar, auch die Unterscheidung „handlungsfähig oder blockierend“ ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Man könnte ähnlich geeignet auch einige andere Gegensatzpaare nehmen und sich in jeweils beide Seiten hineinbegeben – mit anderen Ergebnissen – die ebenso wenig der Weisheit letzter Schluss, aus dem sich alle weitere Schlüsse ableiten lassen würden, wären. Einen für alle und alles gültigen letzten Schluss der Weisheit – gibt es nicht.

Die Weisheit des letzten Schlusses, aus dem du alles weitere ableiten kannst, liegt immer bei dir selbst. Es ist deine Entscheidung. Denn du bist es, der mehr als jeder andere, die Konsequenzen dieser Entscheidung erleben wirst. Und dann entscheiden kannst, ob Du bei dieser Unterscheidung bleiben willst. Oder eine andere ausprobieren willst.

Klare Unterscheidungen mit scharf gekennzeichneten Grenzen treffen zu können ist der Schlüssel für alles weitere.

Nur darf man in den Gegensatzpaaren nicht hängenbleiben. Auch wenn dieser Schritt von einem zu immerhin schon mal zwei Werten einfach getan und tief verstanden sein muss, ehe man in das Spiel, zwischen mehreren Perspektiven wechseln zu können, kommen kann.

Viele Menschen und auch Völker haben diesen Entwicklungsschritt vom einwertigem zu zweiwertigem Denken (noch) nicht getan. Ihn vollziehen zu können, haben wir – Europäer – den alten Griechen und ihrer zweiwertigen Logik zu verdanken.

Bleibt man (der Einzelne noch krasser: ein soziales System, die Kommunikation) jedoch im Denken von Gegensätzen verfangen, stabilisiert man sich faktisch dann doch wieder bei einem Wert. Legt sich auf einen Wert fest und denkt nicht weiter drüber nach, weil der nun gilt.

Der Übergang zum zweiwertigen Denkens ist eine schmerzhafte Prüfung.

Für konkrete überschaubare Handlungen sind auf einen Punkt gebrachte Unterscheidungen natürlich sinnvoll – genauer: die Voraussetzung, überhaupt handeln zu können.

Für komplexere Zusammenhänge,langfristiges Handeln, Kooperation, Zusammenspiel mit anderen, ist es unbrauchbar, einengend, führt zu Dilemma-Situationen und sich früher oder später selbst zerstörender Starrheit.

Leben – ist der Begriff für ständigen, nicht bis ins letzte berechenbaren Wandel – durch Erzeugen neuer Differenzen, die wiederum mit oft neuen Leitkritierien integriert werden.

Wer das verstanden hat – wird alles daran setzen, immer differenziert und flexibler denken, fühlen und handeln zu lernen.

Im Wechsel liegt Stabilität

Lass die Suche oder gar das Festhalten an einer für jede Situation gültigen Beobachtungs- und Bewertungsinstanz einfach sein.

Positiv, wie die alten Magier wussten:

Allein im Wechsel liegt Stabilität.
Spielen ist das ganze Geheimnis.