Wie weiter mit Mittelerde

Tipps

Aragorn mit Theoden am Dimholt

Aragorn und Theoden am Dimholt

Wie geht´s weiter mit Mittelerde – wenn nun der Abschied der Jackson – Mittelerde – Filme aus den Kinos hinter uns liegen wird?

  1. Erleichterung bei erklärten Fantasy-Abstinzlern, die für Tolkien und dieses ganze nur ausgedachte Zeug, nur Spott übrig haben. So gelesen jüngstens (10.Dezember) im Spiegel, was zwar jede Menge empörte Kommentare ausgelöst hat, aber doch so ärgerlich und genervt rüberkommt, dass ich keine Lust habe, einen Link auf diesen Artikel zu setzen.
  2. Die Gewissheit, dass der große Strom von Mittelerde immer stärker und breiter werden wird. So gelesen jüngstens bei Frank Weinreich, auf den wir hier im Blogroll als Empfehlung verweisen.
  3. Sorgenfalten in den Gesichtern der beiden Menschen – Könige. 6000 Speere haben die Männer von Rohan für die Schlacht vor Minas Thirith schon zusammen gerufen. Das ist nicht genug. Und Aragorn wie auch Theoden wissen, dass die verbündeten Rhohirrim allein nicht reichen werden, um die Schlacht um Mittelerde auf den Feldern von Pelenor zu gewinnen. Aragorn steht vor der Entscheidung, das Heer der Toten in den Kampf zu rufen.

Lebendige Mythologie erschaffen

Eowyn @ Jay Johnson

Eowyn – ernster als wir sie aus den Filmen kennen
@ Jay Johnson

Der dritte Hobbit Film – die Schlacht der fünf Heere – ist durch.

Und wie immer man nun die Kinofassung der großen Schlacht um den Erebor finden mag – grad geht es von Mund zu Munde, dass der dritte Hobbit Film auch und vor allem ein Abschied von Mittelerde sein wird.

Mit Wehmut häufiger denn mit Erleichterung gepaart.

Nein, es liegt nicht am gefeierten oder bemäkelten Genie von Peter Jackson, dass selbst zwei aufwändig und bildgewaltige Film-Trilogien die Sehnsucht der Fans, in Mittelerde einzutauchen, nicht stillen können.

Auch noch solch ein Mittelerde-Film, selbst wenn er an „Herr der Ringe“ heranreichte, würde dies nicht vermögen.

Es scheint tatsächlich so zu sein, wie zu Lebzeiten Tolkiens vielleicht noch niemand außer ihm selbst vermutete: Mittelerde ist zu einem lebendigen Mythos geworden.

Was ein Artikel in DIE WELT zum Beispiel so ausdrückt:

Kein Fantasy-Stoff ist so dicht wie das, was J. R. R. Tolkien (1892-1973), der Literaturprofessor aus Oxford, in seinen Büchern geschaffen hat.

Von allen modernen Dichtungen kommt Tolkiens Stoff dem am nächsten, was in der Antike einmal eine lebendige Mythologie war. (Lucas Wiegelman: Der Hobbit – Das Herrchen der Ringe, DIE WELT, 09.12.2012)

Lebendige Mythologie könnte heißen:

  • Nicht abwarten, ob Peter Jackson oder ein anderer Regisseur sich der auf Nachschub hoffenden Fans doch – wider erheblicher und durchaus bedenkenswerter Einwände – erbarmt und sich aufmacht, Tolkien für den großen Publikums Geschmack aufzubereiten.
  • Sondern Tolkien lesen, Tolkien-Art, Tolkien FanFiction, analysierende Tolkien Kenner zur Kenntnis nehmen und dann selbst sich aufmachen, Tolkiens Mythologie weiter zu denken, selbst zu deuten. In welche kreativen Gestalten das auch immer münden mag.

Nun – noch können wir Heutigen nicht viel darüber sagen, was es heißt, mit einem lebendigen Mythos zu leben. Zeiten, in denen Mythen lebendig waren, in denen Menschen mit den Göttern und Heroen ihrer Mythologie ihre Welt natürlicherweise teilten, haben wir alle noch nicht erlebt oder – erinnern uns zumindest nicht so gut wie an Erfahrungen in diesem Leben grad jetzt.

Gandalf von Jay Johnson

Mittelerde – wie geht´s weiter / Gandalf
@ Jay Johnson

Aber die Zeichen mehren sich, dass wir uns nicht zuletzt um nicht zu sagen ganz besonders dank Tolkien am Anfang einer Renaissance bewegen:

Eine Epoche, in der die Menschen sich große Mythologien selbst erschaffen – müssen. Und es tun. Tastend vielleicht und unbeholfen, der eine malend, der andere dichtend, der dritte Rollen spielend. Nein, sie tun es nicht aus Lust und Laune zuletzt, das auch, sie tun es, weil sie es müssen:

Sie können ohne eine Vision der Welt, die über ihr alltäglich kleines Hickhackeinerlei hinaus geht, nicht leben. Es geht nicht, sie verkümmern.

Nach Mittelerde flüchten?

Nun – besser als gar nichts haben was dem kreativen Geist, den jeder Mensch in sich hat, Bewegungsfreiheit schenkt.

Besser als sich tagtäglich mit unsinnigen Tages-Nachrichten zu unterhalten. Besser als zu klagen von morgens bis abends, wie schlecht und ungerecht die Welt geworden sei oder immer schon war.

Doch um´s Flüchten geht es nicht. Nicht mehr für den, der Mittelerde als großes Spiel, ein offenes Medium zum Spielen erlebt. Voller vertrauter und lieb gewonnener Unsterblicher. Die alle nicht so bleiben wollen, wie sie jetzt schon sind.

Nein, sie wollen nicht so bleiben wie sie sind. Die Elben lehren uns dies: Unveränderlichkeit, selbst wenn voll Weisheit und Güte und unendlicher Schönheit, bedeutet Starre. Tatenlos zusehen zu müssen, wie man nach und nach stirbt.

König Elessar als der mythische König Gilgamesch

König Elessar als Gilgamesch  @ Jay Johnson

Auch Aragorn will nicht ewig und immer der viel beschäftigte König von Gondor sein. Regieren ist nicht seine Leidenschaft.

Und – eigentlich – ist er ein mythischer König, wie mich Jay Johnson gelehrt hat mit seinem Gemälde, auf dem er Elessar, soweit ich das verstehe, als den mythischen König Gilgamesch porträtiert.

Ganz zu schweigen von Arwen oder gar von Luthien, Beren und Melkor. Ich kenne einige Mittel-Erde Helden recht gut. Sie erzählen uns auf ihre Weise, wer sie sein wollen. Und auch, dass sie uns dafür brauchen.

Uns, die wir von ihnen hören und sie sehen und bewundern wollen, sie nachspielen, ihnen in Rollenspielen begegnen. Die sie und ihre Welt mit unseren Farben malen, die Lieder über sie singen.

Und von ihnen erzählen, neue Geschichten und die vertrauten auf andere Art.

Und anders herum gesehen, für uns: alle kreativen Werke, perfekte wie experimentelle, brauchen ein Medium – über sich selbst hinaus – um lebendig und groß zu werden.


Merry, Frodo, Sam und Pippin

Die vier kleinen Helden von Mittelerde: Merry, Frodo, Sam, Pippin

BTW: Ich bin inzwischen der Überzeugung, dass es beim Erschaffen einer großen Mythologie mit allem was man braucht, um in ihr heimisch werden zu können, nicht in erster Linie der ganz großen Künstler bedarf.

Auch Tolkien war und verstand sich selbst eigentlich nicht als großer Künstler, schon gar nicht was das Handwerk des Schreibens selbst betrifft. Er war ein Sprachwissenschaftler.

PS:

„Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind.
Unsere tiefste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, das uns erschreckt.
Wir fragen uns, wer bin ich, mich brillant, großartig, talentiert, phantastisch zu nennen?
Aber wer bist Du, Dich nicht so zu nennen?“
Nelson Mandela

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